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Pressemitteilungen

Investitionen in Kinder und Jugendliche sind Investitionen in Wohlstand und Demokratie

Mit Strukturreformen zu mehr Chancengleichheit, Effizienz und Teilhabe in Bildung und
Kinder- und Jugendhilfe


Kinder und Jugendliche aus Familien, die sozial benachteiligt werden, haben in
Deutschland schlechtere Zugänge zu den frühen Weichenstellungen des Lebens: Gibt es vor
Ort ein Familienzentrum oder Quartiersarbeit, wo Beratungs-, Unterstützungs- und
Freizeitangebote für Kinder und Familien niederschwellig zugänglich sind und
bedarfsgerecht zur Verfügung stehen? Werden die Schulen der Herausforderung gerecht,
viele Kinder ohne deutsche Muttersprache zu fördern? Lernt man in der Schule, einen PC zu
bedienen oder reicht das Haushaltsbudget nicht mal für die Schulhefte? Gibt es
nachmittags eine verlässliche Betreuung für Schulkinder, kostengünstige Freizeitangebote,
Zugang zu Sportvereinen, Musikunterricht und Sport oder fehlt selbst der Jugendtreff im
Quartier? Gibt es einen KiTa-Platz mit ausreichenden Betreuungszeiten oder fehlt einer
alleinerziehenden Mutter am Ende des Monats das Geld, weil sie mangels Betreuungsplatz
keiner Erwerbsarbeit nachgehen kann? Gibt es naturnahe Erholungsmöglichkeiten und ist
der Stadtteil an den ÖPNV angeschlossen?


Die soziale Herkunft und der Wohnort bestimmen wesentlich über den Lebensstart und die
Biografien junger Menschen. Das führt zu schlechteren Chancen auf Gesundheit, Bildung,
Teilhabe, politische Beteiligung und Entwicklungsmöglichkeiten. Die Folge ist eine sozial
vorgeprägte Auswahl von zukünftigen Leistungsträger*innen, Fachkräften und
Innovationstreibern, die wichtige gesellschaftliche Potentiale ignoriert. Sozialer Aufstieg
durch Leistung und Befähigung ist mit enormen Hürden versehen. Wirtschaft und
Gesellschaft können ihr volles Potential niemals entfalten, wenn einem Teil der Kinder und
Jugendlichen keine echte Chance auf Entwicklung gegeben wird. Auf diese Weise werden
Kinderrechte missachtet und Demokratie und Wohlstand gefährdet!


Diese Chancenungleichheit zu beheben, ist eine große Aufgabe – doch erwiesenermaßen
kann eine gute soziale Infrastruktur, mit hochwertigen Betreuungs- und
Bildungsangeboten, mit präventiven, multidisziplinären und vernetzten Ansätzen hier
gegensteuern. Doch wie steht es um diese Infrastruktur im Jahr 2025? In einem Wort:
desaströs. Die Problemanzeigen bezüglich der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur sind
weder Anekdoten noch Klischees, sondern traurige Realität: zu wenig Plätze und ein an
den tatsächlichen Bedarfen vorbeigehender Betreuungsschlüssel in KiTas, fehlende
Lehrkräfte, Sonderpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen an Schulen, keine verlässliche
Nachmittagsbetreuung und fehlende Sprachvermittlung in KiTas und Schulen, regelmäßige
Schließungen aufgrund von Personalmangel, marode Schultoiletten, u.v.m. Dies trifft
Familien umso härter, je mehr sie auf Betreuung angewiesen sind, um hinreichende
Zugänge zu guter Arbeit und Existenzsicherung zu haben.


Investitionen in wirksame Prävention und Armutsbekämpfung sind wirksame
Demokratieförderung, die auch auf den Wirtschaftsstandort Deutschland einzahlen!
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf: Nehmen Sie Geld im Bereich der sozialen
Infrastruktur in die Hand, damit Kinder und Jugendliche nicht ihrer Chancen beraubt
werden!


Einige der Strukturreformbedarfe in der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche werden im
Koalitionsvertrag bereits adressiert und wichtige Lösungsansätze in Aussicht gestellt. Diese
müssen zeitnah und konsequent umgesetzt werden:


1. Die bedarfsgerechte Finanzierung der (frühkindlichen) Bildung und des Ausbaus von
schulbezogenen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, der Ganztagsbetreuung und
der frühen Hilfen.
2. Mehr Investitionen in die KiTa-Qualitätsentwicklung.
3. Die verlässliche finanzielle Absicherung bundesweiter Strukturen der
Jugendsozialarbeit durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes sowie eine
Dynamisierung ihrer Förderung.
4. Investition in Angebote der Familienbildung, insbesondere für Alleinerziehende und
Familien mit Zuwanderergeschichte.
5. Der Aufbau einer Förderkulisse für die energetische Sanierung von Kinder- und
Jugendhilfeeinrichtungen sowie von Schulen.
Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen notwendig:
6. Die Übernahme der Kosten für an die Kommunen übertragenen Aufgaben durch die
Länder und den Bund im Bereich der Jugendsozialarbeit, damit finanzschwache
Kommunen in die Lage versetzt werden, bedarfsgerechte Angebote der
Jugendsozialarbeit vor Ort als Regelaufgabe zu finanzieren.
7. Die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für den Nationalen Aktionsplan „Neue
Chancen für Kinder in Deutschland“, damit unter Einbindung von Bund, Ländern,
Kommunen und zivilgesellschaftlichen Akteuren eine wirkungsvolle Armutsstrategie
entwickelt und in Maßnahmen umgesetzt werden kann.
8. Die Bereitstellung bedarfsgerechter offener Angebote für Kinder, Jugendliche und
Familien, insbesondere in benachteiligten Wohnquartieren.
9. Für benachteiligte Kinder und Jugendliche ist ein kostenloses Mittagessen in KiTas und
Schulen zu garantieren, zum Beispiel durch einen Bund-Länder-Pakt.
Um diese und weitere Strukturreformen umsetzen zu können, braucht es eine verlässliche
politische Verständigung darüber, dass zusätzliche Finanzspielräume zur Ertüchtigung der
Sozial- und Bildungsetats erschlossen und in Bund, Land und Kommune eingesetzt
werden.
Die fiskalischen Spielräume, die durch die Reform der Schuldenbremse und das
Sondervermögen Infrastruktur entstehen, müssen von Bund und Ländern für
bedarfsgerechte Investitionsprogramme für den Ausbau und die Modernisierung der
Infrastrukturen von Erziehung, Betreuung und Bildung genutzt werden.
Mögliche weitere Finanzierungsquellen sind Reformen der Erbschafts- und
Schenkungssteuer sowie der Einkommensbesteuerung und eine rechtssichere
Wiedererhebung der Vermögenssteuer.

Diesen Appell haben unterzeichnet:
Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V.
Arbeiterwohlfahrt Region Hannover e. V.
Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW
AWO Bezirksverband Hannover e. V.
bke Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft örtlich regionaler Träger der Jugendsozialarbeit e.V. (BAG ÖRT)
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V.
Bundesjugendwerk der AWO e. V.
Bundesverband der Mütterzentren e. V.
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
Der Kinderschutzbund Bundesverband e. V.
Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e. V.)
Deutscher Bundesjugendring e. V.
Deutscher Caritasverband e. V.
Deutscher Gewerkschaftsbund
Deutsches Kinderhilfswerk e. V.
Diakonie Deutschland
Diakonie Mitteldeutschland
evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V.
Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e. V. (EBET) –
Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe
Familienbund der Katholiken (Bundesverband) e.V.
FiscalFuture e. V.
Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V.
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Humanistischer Verband Deutschlands – Bundesverband e. V.
Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.
Internationaler Bund (IB) Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e. V.
KINDERVEREINIGUNG e. V.
Landesarbeitsgemeinschaft katholische Jugendsozialarbeit Hessen/RheinlandPfalz/Saarland
Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz
Landesfamilienrat Baden-Württemberg
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen
e. V. (LVG & AFS Nds. HB e. V.)
Mütterforum Baden-Württemberg e. V.
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
Progressiver Eltern- und Erzieher*innen-Verband NRW e. V. (PEV)
Save the Children Deutschland
Sozialforum Kaiserslautern
Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD)
Sozialverband VdK Deutschland e. V.
Tafel Deutschland e. V.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V.
Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V.
ver.di Erwerbslosenausschuss Baden-Württemberg/Mittelbaden-Nordschwarzwald
Volkssolidarität Bundesverband e. V.
wellcome gGmbH
Zukunftsforum Familie e. V.
Darüber hinaus wird der Appell mitgetragen von:
Dr. Maksim Hübenthal, Freie Universität Berlin
Gerda Holz, Politikwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, Bochum
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Institut für Sozialökologie (ISÖ)