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Spanien, Universidad Autónoma Madrid

Vier Monate in Madrid – ein Zwischenbericht

Dominik Jordan, 20 Jahre alt, Europäischer Freiwilligendienst in Madrid, Spanien

¡Hola aus der spanischen Hauptstadt! Es ist kaum zu glauben, aber die Hälfte meines Freiwilligendiensts ist leider schon vorbei. Vier Monate absolviere ich bereits mein ESC an der Universidad Autónoma Madrid und habe es bisher noch keinen Tag bereut. Mein Projekt könnte vielfältiger nicht sein und jeder Tag ist ein bisschen anders. Die meiste Zeit verbringe ich mit Student*innen mit geistiger Behinderung des PROMENTOR-Programms. PROMENTOR ist eine Kooperation der Universität Autónoma Madrid (UAM) und der Fundación Prodis, eine NGO, die sich auf Menschen mit geistiger Behinderung spezialisiert hat. Ziel des von der UAM anerkannten Programms ist es, jungen Menschen mit geistiger Behinderung ein Studium an einer Uni zu ermöglichen, sie auf die Arbeitswelt vorzubereiten und sie in den meisten Fällen direkt in eine Firma zu integrieren. Meine Aufgabe ist es, die Lehrer*innen und die insgesamt 30 Student*innen in den Klassen zu unterstützen. Besonders viel Spaß macht mir der Englischunterricht, den ich eigenständig gestalten und durchführen darf. Aber auch in anderen Fächern werden mir viele Freiräume gelassen, sodass ich eigene Projekte umsetzen kann. So plane ich für das Fach “Perfiles Profesionales”, in dem es um verschiedene Berufsbilder geht, derzeit ein Journalismus-Projekt. Die wahrscheinlich beste Klasse ist “Habilidades Emocionales”, eine Art offene Gesprächsrunde, an der auch Lehramtsstudent*innen der UAM teilnehmen und in der wir über unsere Emotionen sowie diverse soziale und gesellschaftliche Themen sprechen. Neben dem normalen Unterricht durfte ich auch schon einige Ausflüge und Betriebsbesichtigungen begleiten. Ab nächster Woche wartet bereits eine neue Herausforderung auf mich. Zweimal wöchentlich werde ich zwei Student*innen bei ihrem Betriebspraktikum an der Uniklinik begleiten. Eine Studentin wird ihr Praktikum an der Rezeption der Abteilung für Menschen mit Down-Syndrom absolvieren, worauf ich sehr gespannt bin.

Neben dem PROMENTOR-Programm bin ich zweimal wöchentlich für zwei Stunden im Altenheim auf dem Campus, wo ich zusammen mit anderen Student*innen verschiedene Aktivitäten, wie z.B. Brettspiele oder Ballspiele, durchführe. Vor allem die Gespräche mit den Senior*innen sind sehr interessant. Zudem unterstütze ich das “Oficina de Acción Solidaria y Cooperación” bei Events und berichte dort z.B. über meinen Freiwilligendienst.

Santander Anfang Dezember absolvierte ich mein On-Arrival Training in Corconte, ein kleines Dorf in Kantabrien im Norden Spaniens. Zuvor habe ich immer nur gehört wie schön der Norden ist, doch durch das Seminar konnte ich die beeindruckenden Landschaften zum ersten Mal selbst erleben. Besonders gut gefallen hat mir der Ausflug nach Santander. Das Seminar war sehr intensiv, aber eine unvergessliche Erfahrung. In fünf Tagen habe ich sehr viel gelernt und motivierte junge Menschen aus ganz Europa kennengelernt. Da viele ihr ESC ebenfalls in Madrid absolvieren, treffen wir uns regelmäßig und unternehmen sehr viel gemeinsam. Im März haben wir bereits eine Reise nach Zaragoza geplant.

In Madrid selbst habe ich mich sehr schnell eingelebt. Bei meinem ESC habe ich mich bewusst für Spanien und für Madrid entschieden. Bereits bei meinem ersten Besuch habe ich mich in die Stadt verliebt. Die Wohnung im Zentrum Madrids teile ich mir mit einem Studenten aus Uruguay und einer Freiwilligen aus Italien aus einem anderen Projekt. Zuhause, in meinem Projekt, mit Freunden und den anderen Freiwilligen spreche ich ausschließlich Spanisch, sodass ich schon sehr viel dazugelernt habe. Da ich schon vorher viel mit Muttersprachlern gesprochen habe und durch den Spanisch Leistungskurs sehr gut vorbereitet wurde, gab es, entgegen meiner Erwartungen, sprachlich kaum Probleme. Derzeit absolviere ich zudem einen C1-Sprachkurs in der Sprachschule der UAM.

Die Arbeit mit den Student*innen erfüllt mich jeden Tag aufs Neue. Es gibt nichts Schöneres als täglich mit einem Lächeln und einer Umarmung begrüßt zu werden. Jegliche Berührungsängste und Stereotypen gegenüber Menschen mit geistiger Behinderung sind bereits in den ersten Tagen verflogen. Ich wurde von allen sprichwörtlich mit offenen Armen empfangen und erfahre jeden Tag Wertschätzung für meine Arbeit im Projekt. Das ESC ermöglicht es mir, ganz neue Perspektiven kennenzulernen und Menschen zu treffen, die ich sonst wahrscheinlich nie kennengelernt hätte. Die Behinderung spielt dabei überhaupt keine Rolle. In meinem Projekt wählen wir auch nicht den Begriff Behinderungen („discapacidades“), sondern sprechen von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten („capacidades diferentes“), sprich von Menschen wie du und ich. Statt ständig die Schwächen zu unterstreichen, werden vielmehr die Stärken jedes Einzelnen hervorgehoben und weiter gefördert. Europäische Werte, wie Solidarität und Toleranz, existieren in meinem Projekt nicht nur auf dem Papier, sondern werden tagtäglich gelebt. Das ESC ist eine sehr prägende Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Dass ich nach vier Monaten noch genauso motiviert wie am ersten Tag bin, zeigt mir, dass ich mich für das richtige Projekt entschieden habe. In diesem Sinne; Viele Grüße aus Madrizzz! ¡Hasta luego!

Dominik

Weitere Erfahrungen und Infos zum Projekt in meinem ESC-Blog (auf Spanisch): www.evsmadrid.wordpress.com/

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